Elmer Hantos Theorie von einem integrierten Europa – Immer noch relevant heute?

 

Ein Artikel von Stefan Messmann in FAMILY CIRCLE WEEKLY / CSALÁDI KÖR, 28 Dezember, 2017, Seite 16-17.

Ich unterhalte mich mit einem wahren Elemér Hantos Experten, dem französischen Doktoranten Gabriel Godeffroy, der momentan an seiner Doktor Thesis arbeitet an der Paris-Sorbonne Universität über die Konzepte und Ideen von Mitteleuropa und europäischer Integration verfasst von Elemér Hantos während der Zwischenkriegszeit. Die Nachfahren von Elemér Hantos riefen die Mitteleuropa-Stiftung ins Leben, welche in Zürich ansässig ist. Diese unterstützt unter anderem Herrn Godeffroy und viele anderen Studenten aus Zentral- und Osteuropa. Die Stiftung vergibt zu dem jährlich den Dr. Elemér Hantos Preis an „eine Person, Personen oder Organisation mit besonderen Errungenschaften in der Förderung von Europäischer Kooperation in Zentral- und Osteuropa.“ Unter den Gewinnern dieses Preises waren Vaclav Havel, Adam Michnik, George Soros, György Konrád und Goran Svilanovíc. Ich werde Ihm einige Fragen stellen um Elemér Hantos Gedanken zur europäischen Integration besser zu verstehen.

Wer war Elemér Hantos?

Elmér Hantos wurde am 12. November 1880 in Budapest geboren. Nachdem er erfolgreich Jura und Politologie studiert hat an der Universität in Budapest, startete er zunächst seine Karriere in der Politik bevor es in die Akademie trieb. Hantos war Parlamentarier für die ungarische Partei „National Party of Work“ (Nemzeit Munkapárt) im Jahre 1910 und wurde zum Minister für das Handelsministerium ernannt 1917. Im selben Jahr startete sein Lehrauftrag an der Universität in Budapest und wurde zum Professor ernannt im Jahre 1929. Elemér Hantos wurde zum Wirtschaftsexperten für die Vereinigung der Nation in 1924.Nach dem Zusammenfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, Elemér Hantos widmete sich der Wiederannährung Zentraleuropas. Er verfasste einige Bücher und unzählige Artikel in mehreren Sprachen über die Idee eines integrierten Zentraleuropas. Um dieses Projekt zu vermarkten half er bei der Gründung der Mitteleuropäischen Wirtschaftstagung in Wien 1925, wo das jährlich die wirtschaftliche Situation in Zentraleuropa diskutiert und analysiert wurde. Außerdem gründete er zwischen 1923 und 1930 Forschungszentren, das Mitteleuropa-Institut in Wien, Brno, Budapest und Genf.

Als ein Gründungsmietglied des Europäischen Zollvereins in 1925 und Teil der ungarischen Delegation der Paneuropa Union, die vom Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi in 1926 gegründet wurde. Elemér Hantos gilt als einer der großen Förderer von Integration in Europa.

Wie würdest du seine Ideen und Gedanken zusammenfassen?

Während der Zwischenkriegszeit, förderte Elemér Hantos die Mitteleurop Integration um auf die wirtschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen nach dem Zerfall der Habsburg Monarchie. Hantos schlug vor die Österreichisch-Ungarische Wirtschaftszone zurückzubringen ohne das damit zusammenhängende politische System.

Elemér Hantos entwickelte zudem einen regionalen Ansatz zur europäischen Integration. Benachbarte Staaten, die gleiche wirtschaftliche und kulturelle Interessen vertreten, würden davon profitieren das nationale Wirtschaften sich zu einem regionalen Verbund zusammentuen bevor sie dann sich wirtschaftlich, und später auch politisch als Gesamtverbund in Europa vereinen.

Was war Hantos Konzept der europäischen Integration?

Der Befürworter eines Zentraleuropäischen Wirtschaftsverbundes berief sich auf 5 Säulen: Geldpolitik, Handelspolitik, Transport und Kommunikation Grundsatz, Landwirtschaft Abkommen sowie Industriepolitik. Zuerst wollte Elemér Hantos die Zentraleuropäische Währung und Geldpolitik stabilisieren, dies sollte erreicht werden durch die Einführung von festen Wechselkursen oder gar einer einzigen Währung. Als zweites, wollte Dr. Hantos die Einführung eines einzigen Marktes in Zentraleuropa, diesen wollte er verbessern durch die Standardisierung der verschiedenen Zentraleuropäischen Schienen, Fluss und Post Systemen und der Gründung von transnationalen Institutionen. Besonderes wichtig war es Hantos eine Transport Organisation zu gründen, die vor allem den Verkauf von Agrar Produkten fördert. Außerdem, war Hantos ein Befürworter der privaten Wirtschaft und ein Fürsprecher für Lobbys, Kartelle und anderen Interessensgruppen, die von einem unabhängigen Komitee kontrolliert würden.

Was war Hantos Definition von Zentraleuropa?

Während des ersten Weltkrieges bestand Zentraleuropa aus Österreich-Ungarn und Deutschland. In dieser Zeit war es Elemer Hantos der ein Handelsbündnis zwischen diesen beiden Mächten vorschlug. Nach dem ersten Weltkrieg und der Neuorganisation von Zentraleuropa durch Friedensabkommen, hatte sich das Machtverhältnis verändert. Durch diese Veränderung änderte sich auch die Definition von Elemer Hantos und sein Zentraleuropa erweiterte sich nach Süd und Ost ohne Deutschland als Teil dieses Verbundes, die Nachfolgestaaten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (Österreich, Ungarn, Tschechei, Jugoslawien und Rumänien, sowie teilweise Italien, Polen und Bulgarien).

Elemer Hantos basierte sein Konzept eines Zentraleuropäischen Verbundes nicht nur auf geographische Nähe. Die Idee war es die Wirtschaftszone der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wiederherzustellen mit der Erweiterung zu den neuen Grenzen der Nachfolgestaaten. Der geographische Kern war Österreich, Ungarn und die kleine Entente (Tschechei, Jugoslawien und Rumänien).

Er wollte bewusst die Länder Deutschland, Italien und Polen ausschließen um die Vorherrschaft eines dieser Zentraleuropäischen Supermächte zu vermeiden. Das Ziel war es Deutschland, Italien und Polen nicht systematisch und ganz auszuschließen, sondern die Nachfolgestaaten zunächst wirtschaftlich zu stabilisieren durch das ausschließen von zu mächtigen Wirtschaftspartnern. Der erste Schritt war für Hantos die Integration, der wirtschaftlich schwächeren Ländern um dann ein größeres Zentraleuropa Bündnis zu verhandeln mit Deutschland, Italien und Polen als gleichwertige Partner, dies waren die gleichen Gedanken wie zur Zeit des ersten Weltkrieges.

Wie wurden seine Idee der Integration von Zentraleuropa von den Ländern aufgenommen?

Während der Zwischenkriegszeit war es für die ungarische Regierung am wichtigsten das Abkommen von Trianon aus dem Jahre 1920 zu untersuchen. Ungarn hat zwei drittel seiner Fläche verloren, weswegen viele größere ungarisch-sprechende Gruppierungen außerhalb der Grenzen lebten. Die ungarische Regierung war gegen einen zentraleuropäischen Verbund, weil dieser die Grenzen des Abkommens von Trianon bestätigen würde.

Nach dem ersten Weltkrieg war Österreich gespalten wegen der Frage der Annektierung Österreichs durch Deutschland. Die österreichische Regierung kämpfte gegen den Anschluss und fand die Idee von Elemer Hantos vorteilhaft wegen der Gründung eines Staatenverbundes ohne Deutschland. Nichts desto trotz konnte die Regierung die Übernahme von Nazi Deutschland im Jahre 1938 nicht stoppen.

Tschechei, Jugoslawien und Rumänien gründeten die kleine Entente 1920. Dieses politisch, militärisch und später auch wirtschaftliche Allianz wurde gegründet um die neu errungene Unabhängigkeit zu verteidigen. Deswegen waren die Regierungen der Mitgliedststaaten skeptisch ob das Verbündnis von Elemer Hantos integration förderlich sei und nicht nur ein Plan um ein Machtverhältnis aus Vorkriegszeiten wiederherzustellen, welches deren Unabhängigkeit gefährden würde.

Was war die Reaktion zu seinem Vorschlag einer Zentraleuropäischen Integration außerhalb der zentraleuropäischen Länder, wie zum Beispiel Deutschland und Frankreich?

Während der Zwischenkriegszeit war Elemer Hantos ein Feind in den Augen der Deutschen Regierung, weil er Deutschland aus dem Verbund der Zentraleuropäischen Ländern ausschließen wollte und zu dem gegen die Annexion Österreichs durch Deutschland war. Später tat Nazi Deutschland alles dafür um Hantos leise zu stellen wegen seines lautstarken Protestes gegen den Anschluss Österreichs an Deutschland. Dies war auch der Grund warum Hantos nicht mehr in Deutschland veröffentlichen durfte.

Um weiteren Einfluss Deutschlands in Zentraleuropa zu verhindern und vor allem wegen der Annährung von Deutschland und Österreich, interessierte sich die Regierung Frankreichs immer mehr und mehr für die Ideen von Elemér Hantos. Im Jahre 1932 nutze der französische Premier Minister André Tardieu Hantos Ideen und schlug seinen Donau Plan vor, ohne die Beteiligung Deutschlands. Landläufig auch Tardieu Plan genannt scheiterte dieser auf Grund der Feindseligkeit von Deutschland, Italien und Österreich.

Was war Hantos regionale Herangehensweise für Europas Integration?

Die wirtschaftliche Vereinigung von Zentraleuropa war nur der erste Schritt eines weitfassenden Plans zur Integration. Elemér Hantos verknüpfte seine Idee von einem zentraleuropäischen Verbund mit dem paneuropäischen Projekt von Richard Coudenhove-Kalergi. Hantos argumentierte, dass Paneuropa stückweise wachsen sollte über regionale Verbunde, die sich wirtschaftlich und kulturell einig waren.

Die Gruppierung von zentraleuropäischen Ländern durch gemeinsame kulturelle, wirtschaftliche und historische

Interessen wäre der erste Schritt gewesen zu einem Paneuropa. In der zweiten Phase wäre weitere regionale Gruppierungen dazu gekommen wie der Westliche Block aus Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg und eine Gruppe aus dem Balkan. Diese würde aus den Ländern Finnland, Estland, Litauen und Lettland bestehen. Diese Drei regionalen Gruppen hätten dann zu einem wirtschaftlichen Europa fusionieren können bevor sie später dann auch politisch ganz Europa abdecken. Das Besondere an der Idee von Elemer Hantos war das er die Integration durch regionale Gruppierungen startete und Zentraleuropa der Ausgangspunkt war.

Warum sind die Ideen von Hantos weitestgehend unbekannt heute?

Elemer Hantos fiel in Vergessenheit, weil sein Projekt über Jahrzehnte nicht realisiert werden konnte. Zudem unterbrich die Zeit des Nationalsozialismus eine Paneuropa Diskussion, die dann durch das Leid nach dem zweiten Weltkrieg, dem Fall des Eisernen Vorhangs eine europäische Integration nahe zu Unmöglich. Elemér Hantos verstarb am 28 Juli, 1942 in Budapest und konnte dementsprechend nicht in den Ursprüngen der heutigen Europäischen Union mithelfen. Angeblich waren Hantos Ideen den Gründern Zentraleuropas nach dem Fall der Berliner Mauer unbekannt als die Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei) kreiert wurde und das Mitteleuropäische Freihandelsabkommen (CEFTA) unterzeichnet wurde.

Sind denn die Vorschläge von Elemér Hantos zur europäischen Integration heute noch relevant?

Meiner Meinung nach sind die Ideen von Elemér Hantos sehr relevant und verdienen es mehr gekannt zu werden. Mit der steigenden Zahl der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und deren unterschiedlichen Ansichten zum Thema Integration hat das auseinander driften der Länder verstärkt. Deswegen könnte die Herangehensweise von Elemér Hantos über regionale Gruppen zu einem Gesamtverbund ein wichtiger Gedankenweg sein um die Zukunft Europas zu planen. Des Weiteren, können die Ideen von Hantos dabei helfen die speziellen Charakteristiken der Visegrad-Gruppe in der EU zu verstehen.

Wie wichtig sind die Ideen von Elemér Hantos heute für Mitteleuropäische Länder?

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, der Gründung der Visegrad-Gruppe und der Unterzeichnung von CEFTA waren Bausteine um die Anschließung von Mitteleuropäischen Ländern zu vereinfachen. Dies ist wichtig zu verstehen, weil die Länder der Visegrad-Gruppe eine Änderung ihres politischen Diskurs vornahmen und grundsätzlich konservativ, populistisch und anti-Europäisch eingestellt waren. Trotzdem kann man auch nochmal an dieser Stelle erwähnen, dass die Mitteleuropäischen Ländern viele der klügsten und pro-Europa Denker hervorgebracht haben, wie Stefan Zweig, Richard Coudenhove-Kalergi und Elemér Hantos sowie viele Weitere.

Wie hätte Elemér Hantos reagiert zu dem heutigen Trend des Populismus in Mittel- und Osteuropa?

Elemér Hantos wäre eine Verbindung zwischen West-, Mittel- und Osteuropa gewesen. Ich glaubem dass Westeuropa nicht genügend Wissen und Verständnis haben über Mittel- und Osteuropa sowie vice versa. Hantos hätte es versucht mehr Kommunikation zwischen den zwei Parteien herzustellen, die so wie es scheint in gegensätzliche Richtung sich orientieren. Er hätte dafür plädiert regionale Integration in Zentraleuropa zu fördern, aber immer mit der Vorsicht nicht 60 Jahre Fortschritt und Solidarität zu gefährden.

 

Translation: Pedro Jacobs